Hallo Horton!

Hallo Horton!

Jedes Ding braucht einen Namen

Ich habe damals voreilig zugestimmt, als meine Frau sich das Recht erbeten hat meinem Motorrad einen Namen geben zu dürfen.

Ist wohl irgendwie so eine Frauensache, dass jedes Ding einen Namen haben muss. Voller Stolz präsentierte ich ihr damals das Wunderwerk der Technik aus bayrischer Produktion. Eine sinnlos übermotorisierte Abrissbirne mit Düsenantrieb, die nur dazu erschaffen wurde, um damit in Richtung Weltherrschaft zu donnern. 

Meine Frau fand natürlich sofort den passenden Namen für dieses brutale Monster: Mathilda!??!

Ein richtig schöner Mädchenname. Danke Schatz!

Das darf niemals jemand erfahren. Wenn das in der Biker-Szene bekannt wird, bin ich erledigt.

Auch der Hund braucht einen Namen

Als meine Frau dann darum bat den Namen für unseren Hund auswählen zu dürfen, wurden schmerzhafte Erinnerungen wach und ich zögerte zunächst. Zu Recht!

Während unseres ersten Besuchs bei dem kleinen Racker platzte es aus ihr heraus:

„Das ist Horton!“

„Horton?“, fragte ich mit krauser Stirn.

„Guck doch mal genau hin, der hat doch ein Huh gehört“, lachte sie.

Es war noch gar nicht entschieden, ob wir diesen Hund überhaupt zu uns nehmen wollten und er hatte schon einen Namen. Und was für einen. Ein rumänischer Straßenhund von dem keiner so genau wusste, was er die letzten 4 Monate alles erlebt hat. Ich war skeptisch.

Wir vereinbarten mit der Vermittlerin eine ausgiebige Bedenkzeit von drei Tagen, um diesen elementaren Schritt sorgfältig zu planen. Hier sollte man auf keinen Fall etwas überstürzen!

Nach 1 Stunde, 23 Minuten und 14 Sekunden waren wir wieder da, der Hund hieß immer noch Horton und er gehörte jetzt zu uns. Manchmal muss man einfach seinem Herzen folgen, oder dem der Ehefrau, falls man keins hat.

Bei der Namensgebung wollte ich mich aber diesmal nicht einfach geschlagen geben und kündigte vollmundig einen Nachnamen für unseren neuen Mitbewohner an.

Den hat er dann auch bekommen: „van Helsing“.

Mein Name ist van Helsing, Horton van Helsing.

Ich fand das absolut passend, denn Hortons Geburtsort weist eine auffällige Nähe zu Transsilvanien auf, wo Vampirjäger ja ein anständiger Ausbildungsberuf ist. Inzwischen hat er aber sein Betätigungsfeld in den Bereich der Phantomjagd verlagert. Da werden während der Spaziergänge dann regelmäßig im halbdunkeln Mülltonnen oder Verkehrsschilder angekläfft und vorsichtig inspiziert. Als in unserer Abwesenheit mal das riesige Paket mit meinem neuen Kajak angeliefert wurde, begann Horton nach unserer Rückkehr mit einem erbitterten Kampf gegen dieses Monster. Ein bisschen Don Quichotte steckt wohl auch in jedem Hund.

Rätselhaft ist mir allerdings, wie es die Rumänen geschafft haben diese reißende Bestie in die Hülle eines niedlichen Stofftieres zu stopfen. Da Horten offensichtlich noch nichts von seinem unglaublichen Potential als kaltblütiger Jäger ahnt, unterstütze ich ihn in stundenlangen Einzelgesprächen mit dem richtigen männlichen Mindset. Bisher mit eher mäßigem Erfolg. Mitten in der Sitzung legt sich mein undisziplinierter Rekrut oft auf den Rücken, streckt alle Viere von sich und erwartet die nächste Streicheleinheit. Auch Männer haben eine weiche Seite. Aber Horton, nackte Füße ablecken gehört nicht dazu. 

Hör ich ein Echo?

Wenn Du mit einem niedlichen Welpen (der nach wie vor ein unberechenbares wildes Tier ist!) Gassi gehst, wirst Du automatisch zum Opfer.

Nahezu jeder Mensch, der auch nur noch ein winziges Stück Restherz besitzt, beugt sich mit einem aberwitzigen Grinsen nach vorne und das Drama beginnt. Es gibt Situationen, in denen dieses „Vorbeugen“ aus männlicher Sicht durchaus unterhaltsam ist, aber der Regelfall sieht leider anders aus:

„Na, wer bittu denn? Bittu ein Feiner? Ja, bittu ein Feiner? Ja? Komma hier, ja komma hier!“

Dein Hund verheddert sich im Verlauf seiner Ganzkörperfreude völlig in der Leine und steigert sein Gezappel bis hin zur unkontrollierten Urinabgabe, die NIE! den wahren Schuldigen trifft, sondern IMMER! an Herrchens Bein endet. Da sich Horton in solchen Situationen aufführt, wie ein Zitteraal auf Ecstasy ist die unerwünschte Dusche meist sehr ergiebig.

So begrüßt zu werden ist natürlich ein Hochgenuss für die meisten Menschen, die dann sogar noch einen höheren Gang einlegen und deinen Hund ungefragt -aber innig- umarmen, wobei sie jegliche Grundregeln des Satzaufbaus vergessen: „Ein Feiner Du bist, ein ganz ein Feiner“.

Plötzlich hast Du zwei Verrückte an der Leine. Und einer davon spricht wie Yoda.

Du noch viel lernen musst junger Horton!

Wenn sich die erste Aufregung gelegt hat, kommt zumeist der wirklich unangenehme Teil:

„Wie heißt er denn?“ (Noch lächelnd)

„Horton!“

„Wie heißt er?“ (Erster Faltenwurf auf der Stirn)

Da war übrigens wieder das Echo. Danke Schatz!

„H o r t o n!“

„Horten, wie das Kaufhaus?“ (Fragender Blick)

„Nein Hor-Ton, wie die Zeichentrickfigur. Horton hört ein Huh. Der Elefant.“

„Ihr Hund heißt wie ein Elefant?“ (Beginnende Verwirrtheit)

„Er hat ja noch einen Nachnamen. Van Helsing. Wie der Vampirjäger aus dem Film.“

„Ein Elefant, der Vampire jagt?“ (Ratlosigkeit)

An dieser Stelle suche ich dann einen möglichst eleganten Ausstieg aus der Situation.

Er heißt, wie er heißt

Unser Hund hat inzwischen viele Namen. Während der WM z.B. hieß er Hortinio und hatte die Weltmeisterschaft im eigenen Land. Für meinen Geschmack ist er aber viel zu eigensinnig und ballverliebt. Der Ball kommt erst zurück, wenn er vollständig zerstört ist. Samba tanzen kann er dafür aber sehr gut.

Offengestanden nenne ich ihn auch manchmal ganz zärtlich „Matschbirne“, wenn er morgens so herrlich verpennt mit hängenden Ohren durch die Bude schlurft. Morgenmuffel, wie sein Frauchen.

Inzwischen ist es mir nicht mehr unangenehm, wenn meine Frau unseren Hund laut ruft und mir die fragende Blicke andeuten, dass die Leute uns für ein wenig bekloppt halten.

Ja, das sind wir auch! Deshalb haben wir uns auch genau diesen Hund ausgesucht. Und der fühlt sich genau deshalb bei uns sauwohl.

Aber mal ehrlich, sind nicht alle Hundehalter irgendwie ein bisschen bekloppt?