Mensch, Du Hundemensch!

Mensch, Du Hundemensch!

Mensch, du Hundemensch!!!

(Ein jegliches nach seiner Art! Für mehr Respekt gegenüber unseren Hunden)

von: Severine Martens - www.fabelschmiede.de

„Am fünften Tag machte er die wilden und die zahmen Tiere und alles, was auf dem Boden kriecht – Ein jegliches nach seiner Art! Am sechsten Tag schuf er den Menschen und vertraute alle Tiere, die auf Erden leben, seiner Fürsorge an. Als Nahrung gab er ihm die Samen und die Früchte der Pflanzen. So geschah es und es war gut so!“ Genesis (nicht die Kapelle) 1,24 – 2,4a

Wir kamen an Eure Feuer und an Eure Lagerstätten, obwohl wir Euch fürchteten. Ihr ward bekannt als grausame Spezies, konntet auf große Entfernungen töten ohne, dass man Euch sah, und im Wald war keiner vor Euch sicher. Aber wir hatten großen Hunger, keine Hoffnung auf ein Überleben im Wald und vor allem keine Alternative als den Tod. Wir waren die Schwachen unserer Art und setzten alles auf eine Karte. Wir fanden viel in Eurer Nähe: Reste von gebratenem Fleisch, Knochen und die gekochten Früchte vom Feld. Einige von uns konnten sogar das vertragen, was Ihr Brot nanntet, und je näher wir kamen, wussten wir sogar die Wärme des Feuers zu schätzen - welches wir von jeher fürchteten. Wir hatten Euch beobachtet – das können wir gut – und wir lernten Euch einzuschätzen: Wann Ihr eine Gefahr für uns ward und wann nicht. Wir hielten Euch die Ratten vom Leib und warnten Euch vor Eindringlingen, egal ob Mensch oder Tier. Wir machten Euch das Leben leichter und wir durften bleiben, denn Ihr hattet von uns nichts zu befürchten!

Eure Frauen legten unsere Kinder an ihre Brust, wenn unsere Mütter keine Milch mehr hatten, und Ihr holtet uns in Eure Hütten. So wuchsen die ersten von uns in Euren Reihen auf und kannten Eure Nähe und Eure Gewohnheiten von Geburt an. Wir wussten Eure ständige Gesellschaft zu schätzen und wir lebten von den Überresten Eurer Nahrung. Ihr wusstet unsere Dienste bei der Jagd und beim Schutz Eurer Siedlungen zu schätzen und Ihr hattet viel gelernt von uns - und wir von Euch! Wir lernten Eure Sprache! Die Sprache, die Ihr gesprochen habt und die der unseren so ähnlich war - bevor Ihr nur noch Worte kanntet, die man aufschreiben kann. So wurden wir Eure Gehilfen, Eure Gefährten und Eure Freunde. Wir lebten als Partner, Seite an Seite und jeder nach seiner Art. Gegenseitiger Respekt prägte unser Verhältnis zueinander - und der gemeinsame Nutzen. Eine neue Spezies war geboren: Wir, die Hunde! Und es war alleine unsere Entscheidung, zu Euch zu kommen und bei Euch zu bleiben.

Ihr habt an unserer Seite Erfolg gehabt, großen Erfolg und Ihr wolltet es besser machen. Ihr habt angefangen, uns auszusortieren: Die mit der besten Nase, der lautesten Stimme, dem kräftigsten Körper und dem schärfsten Gebiss durfen leben. Die anderen mussten sterben! Sie wurden von Euch getötet, aufgegessen oder uns Überlebenden zu Fraß vorgeworfen. Jagdhunde, Schutzhunde, Karrenhunde und Kriegshunde wurden geboren - und wieder eine neue Spezies: Der Hundemensch! Wir haben für Euch gearbeitet und später habt Ihr uns unsere Arbeit genommen. Wir wurden nervös, unruhig und manchmal auch agressiv. Wir waren arbeitslos und dann haben einige von Euch den Hundesport erfunden. Jetzt arbeiten die meisten von uns für Eure Eitelkeiten und Eure Wohnzimmerdekoration - das große Regal mit den vielen Pokalen darauf!

Ihr habt uns gefesselt und angebunden. Ihr hab uns eingesperrt und unseren Freigeist gebrochen. Ihr habt uns verstümmelt und zu Kampfmaschinen gemacht, die wir davor niemals  waren. Ihr habt uns benutzt, zu Eurem Spielzeug gemacht und vergessen, dass auch wir denkende und fühlende Lebewesen sind - nicht weniger als Ihr selber! Ihr habt uns kurze Beine gemacht und lange Rücken, große Köpfe und noch viel größere Zähne. Ihr habt uns lange Ohren gemacht, die unsere Augen nach unten ziehen, und große Augen, die sogar manchmal raus fallen. Ihr wolltet Hunde ohne Nasen und Ihr habt uns die Nasen weg gemacht. Ihr wolltet Hunde, die mit ihrer krausen Nase wie brutale Schläger aussehen, und Hunde, die mit ihrem krankhaft schrägen Rücken ständig kampfbereit wirkten. Ihr habt uns riesengroß gemacht - so groß, dass wir mit unseren eigenen Gewicht unsere Knochen zerquetschten . Und ihr habt uns klein gemacht, winzig klein und ohne jede Aussicht auf ein artgerechtes Leben. Manche von uns können wegen ihrer großen Köpfe nicht mehr normal auf die Welt kommen - unser Mutti muss dazu aufgeschnitten werden. Anderen von uns werden die Ohren oder der Schwanz abgeschnitten, oder beides gleichzeitig, damit wir gefährlicher aussehen - obwohl wir es gar nicht sind!

Wir wurden zum Opfer Eurer Eitelkeiten und Eurer Einsamkeit, weil Ihr Euch eine Welt gebaut habt, in der ein Mensch dem anderen nicht mehr traut. Ihr richtet diese Welt zugrunde, könnt Euch alleine nicht mehr helfen und Eure Seelen sind verkümmert. Wir Hunde füllen diese Lücken und wir machen es sogar gerne, weil es für Euch ist - trotz des hohen Preises, den wir dafür zahlen. Wie oft werden wir gekauft wie eine Tüte Brötchen, aufgebraucht und dann weggeworfen. In Deutschland werden jedes Jahr mehr als eine halbe Million Hunde geboren: Die meisten geplant als Vertreter einer der so ungefähr einhundert anerkannten Rassen, viele aber auch aus Versehen als sogenannte Mischlingshunde - illegale Hundefabriken (nicht nur im Ausland) nicht mitgezählt. Die Monate vor Weihnachten ist jedes Jahr die hohe Zeit der Welpenproduktion und regelmäßig landeten Abertausende von uns in den deutschen Tierheimen. Viel zu viele andere werden auf anderen Wegen entsorgt - irgendwo ausgesetzt, getötet oder angebunden, verlassen im nirgendwo! Es gibt viel zu viele von unserer Art in Eurer Welt, die nicht mehr unsere Welt ist, weil Ihr sie uns genommen habt!  Aber wer von Euch will das hören, so lange die Kasse stimmt.

Du hast uns als Familienmitglied ausgesucht und hättest Dir doch besser eine Barbiepuppe oder einen Stoffhund kaufen sollen. Du hast eine ganzen Schrank voller Kleidung für uns, einschließlich vielen bunter Schuhe und bunter Hütchen - obwohl keiner von so etwas braucht. Unser Futter lässt Du Dich ein kleines Vermögen kosten, obwohl wir nie danach gefragt haben und auf diese Presspappe keine großen Wert legen. Wir waren schon immer mit weniger zufrieden. Mit dem, was Du übrig lässt, wenn Du fertig bist, denn es gibt für uns nicht schöneres! Aber immerhin: Du finanzierst damit eine ganze Industrie, die vielen Menschen Arbeit und Geld gibt - vielleicht sollten wir Hunde etwas stolz darauf sein! Bibliotheken voller Bücher hast Du über uns geschrieben und ganze Berufsgruppen neu geschaffen, die sich heutzutage um unsere Gesundheit und unsere Erziehung sorgen. Vieles, was früher eine Gefälligkeit unter Euch Hundemenschen war, kostet heute jede Menge Geld. Erst macht Ihr uns krank und nehmt Ihr uns die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens. Dann bringt Ihr uns zu Ärzten und anderen Spezialisten, damit es nicht mehr so weh tut. Was für eine verrückte Welt!

Mensch, Ihr Hundemenschen? Was habt Ihr getan? Wir wollten ein bisschen was zu Fressen, als wir zu Euch kamen, und ein klein wenig die Wärme Eures Feuers. Später schätzten wir Eure Gesellschaft, wie Ihr die unsere, und wir wurden zu einer tollen (Über)Lebensgemeinschaft. Gegenseitiges Geben und Nehmen bestimmte unsere Beziehung zueinander genauso wie der beiderseitige Respekt vor der jeweils eigenen Art!

Mensch, Du Hundemensch! Was ist aus Dir geworden? In Deiner Welt gibt es kein Miteinander mehr, nur noch den eigenen Suppenteller. Keine gegenseitige Achtung und kein Verständnis für die anderen, die etwas anders sind. Wir sprechen nicht mehr die gleiche Sprache! Das ist nicht mehr die Welt, in der wir Hunde gerne leben möchten, und wegen der wir zu Euch gekommen sind. Heutzutage würden wir einen riesengroßen Bogen um Euch machen und die Kälte des Waldes der Wärme Eurer Feuerstellen vorziehen. Und trotzdem bleiben wir, denn wir möchten immer noch Eure Partner sein.

Bitte macht uns nicht zu dumpfen Befehlsempfängern und auch nicht zu willenlosen Vollidioten. Drängt uns nicht mit Gewalt Euren Willen auf, nicht mit Schlägen und auch nicht mit Keksen. Bitte lasst uns unseren eigenen Willen – unseren Stolz – und auch unsere Gesundheit. Macht uns nicht zu körperlichen Krüppeln und auch nicht zu kleinen Menschen mit Fell und vier Pfoten. Wir sind kein Spielzeug - schon gar nicht für Kinder – und wir sind auch keine Anziehpüppchen oder Wegwerfprodukte. Wir sind keine Sportgeräte, genau so wenig, wie wir Bierdosen oder Kekstüten sind. Wir sind denkende und fühlende Wesen – und versuche Dich mal zu erinnern: Wir sind damals freiwillig zu Euch gekommen und wir möchten gerne freiwillig bei Euch bleiben! Wir haben die Hoffnung auf Euren Respekt vor unserer eigenen Art immer noch nicht aufgegeben - die Achtung vor unserer Gesundheit und unserem Leben. Was uns noch hält, ist die Sehnsucht nach Eurer Liebe und auf ein Leben an Eurer Seite, geprägt von dem berühmten biblischen Satz: Ein jegliches nach seiner Art!

Wir sind Hunde, wir können das!

Und Du auch, wenn Du nur willst: Für eine bessere Welt!

Über mich und meine Hunde

Severine Martens wurde 1960 in Wilhelmshaven an der Nordsee geboren. Die gelernte Sozialarbeiterin ist vor über 35 Jahren durch Zufall auf den Hund gekommen. Neben ihrem beruflichen Engagement für Menschen am Rande der Gesellschaft veröffentlichte sie immer wieder Erzählungen aus ihrem Erleben. Severine Martens bezeichnet sich selber gerne als Hundlerin und aktive Tierfreundin, die sich ein Leben ohne ihre vierbeinigen Lebensgefährten nicht vorstellen kann. Vor einigen Jahren durch den Verlust ihres Ehemannes nahezu aus dem Leben geworfen, beschäftigen sich ihre Texte heute fast ausschließlich mit der Frage nach der eigentlichen Beziehung zwischen Mensch und Hund. Severine Martens liest sehr gerne und in ihrer Freizeit ist sie sehr gerne sportlich aktiv. Waldlauf und Nordic Ski sind ihre großen Leidenschaften, selbstverständlich immer im Dreierpack mit ihren Vierbeinern Luna und Milow. Sogar kleinste Gassigänge bezeichnet sie als Abenteuerreisen durch die Schnupperwelt der Hunde, auf denen man mit offenen Augen und Ohren jede Menge tolle Sachen erleben und später aufschreiben kann.

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